Christian Unverzagt

Der Bilder Berg und Fluss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Zeichenbuch

 

 

Zu seinen Bildern hat Ke Shiqiang selbst Texte verfasst, die unverbrüchlich zu ihnen dazu gehören. Sie entstehen zusammen mit ihnen, „manchmal noch vor dem ersten Strich, manchmal geraume Zeit nach dem letzten“, den man nach Ke Shiqiang zu Unrecht mit der Fertigstellung des Bildes gleichsetzt.

 

Titel und Texte unterliegen ähnlichen Wandlungen wie die Bilder selbst. Sie sollen deren vibrierendes Geschehen nicht nachträglich beruhigen. Oft gehört zur Aus- und Fortführung von Gedanken die Streichung erster Notizen, manchmal führen Formulierungen zu überraschenden Wendungen, bisweilen enden Texte ganz woanders als ursprünglich gedacht. Auch in ihnen wirkt das Prinzip der Annäherung durch Rücknahme.

 

Ke Shiqiang behauptet, seine Texte entstammten derselben Quelle bzw. demselben Urgrund wie seine Bilder. Sie seien daher vom selben Stamm, „aber nicht von höherem Wissen“. Das unterscheide sie von kunstmarktkünstlichen Interpretationen. Sie sollen deren Wegbegleiter sein, ihnen zum Geleit, vielleicht auch zur Unterhaltung beigesellt. Mehr nicht, und auch nicht weniger. Sie reflektieren auf die Technik der Strichführung und auf die Bildhaftigkeit der Bilder. Doch wo immer sie zu erklären scheinen, schaffen sie weiteren Klärungsbedarf. Sie beschreiben zwar, doch sie beschwören auch Ungesehenes herauf. Sie analysieren, gehen dabei aber bruchlos ins Assoziieren über. Auch in seinen Texten will Ke Shiqiang Medium eines metamorphen Geschehens und nicht Autor sein.

 

Die Unterhaltung zwischen Texten und Bildern mag zu deren Wandlungen beitragen. Es wird beleuchtet und verschattet, ein- und ausgezoomt, gedreht und gewendet. So verstärken sich die Effekte der mit der Welt nebenan in Kontakt geratenen Bilder, auf denen die Dinge dem Augenschein immer unähnlicher werden. Was Bilder, Titel und Texte zuinnerst wollen, ist: für sich selbst sprechen, das aber gemeinsam.